Letztes Update am Sa, 22 Apr 2023 22:31:22 +0200 von Andreas Potthoff
Forschungs-Team aus Münster, Bayreuth und Berlin schlägt einen neuen Weg vor, um Einzelphotonen zu erzeugen
Nach der „ersten Quantenrevolution“ – der Entwicklung von Geräten wie Laser und Atomuhr – ist derzeit die „zweite Quantenrevolution“ im vollen Gange: Experten aus aller Welt entwickeln grundlegend neue Technologien, die auf der Quantenphysik beruhen. Eine Schlüsselanwendung ist die Quantenkommunikation, bei der Informationen in Licht geschrieben und verschickt werden. Für viele Anwendungen von Quanteneffekten muss das Licht in einem bestimmten Zustand sein, nämlich in einem Einzelphotonenzustand. Aber wie erzeugt man solche 2021 und Berlin schlagen in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „PRX-Quantum“ jetzt einen neuen Weg vor, ein Quantensystem zu präparieren, um Bauteile für die Quantentechnologie zu entwickeln.
Aus Expertensicht ist es sehr vielversprechend, Quantensysteme zu nutzen, um Einzelphotonenzustände zu erzeugen. Ein bekanntes Beispiel für solch ein Quantensystem ist ein Quantenpunkt. Dabei handelt es sich um eine Halbleiter-Struktur, die nur wenige Nanometer groß ist. Mit Hilfe von Lasern kann man Quantenpunkte ansteuern. Zwar haben Quantenpunkte ähnliche Eigenschaften wie Atome, aber sie sind in einem Kristall vorhanden, was für Anwendungen oft praktischer ist. „Quantenpunkte sind hervorragend für die Erzeugung einzelner Photonen geeignet, und das machen wir in unserem Labor auch schon beinahe täglich. Aber man kann daran noch viel verbessern, gerade wenn man diese Technologie aus dem Labor in die Anwendung bringen möchte“, sagt Dr. Tobias Heindel, Leiter eines Experimentallabors für die Quantenkommunikation an der TU Berlin.
Eine Schwierigkeit, die man überwinden muss, ist die Trennung der erzeugten Einzelphotonen von dem anregenden Licht des Lasers. In ihrer Arbeit schlagen die Forscher eine ganz neue Methode vor, um dieses Problem zu lösen. „Die Anregung nutzt einen Schaukel-Prozess in dem Quantensystem aus. Dafür nutzen wir einen oder mehrere Laserpulse, welche Frequenzen haben, die sich von denen des Systems deutlich unterscheiden. Dies macht das spektrale Filtern sehr einfach“, erklärt der Erstautor der Studie, Thomas Bracht von der Universität Münster.
Als „Schaukel-Prozess“ bezeichnen die Wissenschaftler ein besonderes Verhalten der durch das Laserlicht in dem Quantensystem angeregten Teilchen – der Elektronen, genauer gesagt Elektron-Loch-Paare (Exzitonen). Dabei benutzt man Laserlicht von zwei Lasern, die nahezu gleichzeitig Lichtpulse abgeben. Durch die Wechselwirkung der Pulse miteinander entsteht eine schnelle Modulation. Bei jedem Modulationszyklus wird das Teilchen immer etwas angeregt, aber auch wieder abgeregt. Dabei fällt es nicht auf den vorherigen Stand, sondern wird mit jedem „Schaukelschwung“ stärker angeregt, bis es den maximalen Zustand erreicht. Der Vorteil dieser Methode ist, dass das Laserlicht nicht dieselbe Frequenz hat wie das Licht, das von den angeregten Teilchen abgegeben wird. Vom Quantenpunkt abgegebene Photonen können daher eindeutig zugeordnet werden.
Das Team hat diesen Prozess in dem Quantensystem simuliert und so Richtlinien zur experimentellen Realisierung gegeben. „Wir erklären auch die Physik des Schaukel-Prozesses, was uns dabei hilft, die Dynamik in Quantensystemen besser zu verstehen“, betont Juniorprofessorin Dr. Doris Reiter, die die Studie geleitet hat.
Um die Photonen in der Quantenkommunikation benutzen zu können, müssen sie gewisse Eigenschaften besitzen. Außerdem sollte die Kontrolle des Quantensystems nicht negativ durch die Umgebung oder Störeinflüsse beeinflusst werden. In Quantenpunkten ist besonders die Wechselwirkung mit dem umgebenden Halbleitermaterial oft ein großes Problem für solche Kontrollschemas. „Unsere numerischen Simulationen zeigen, dass die Eigenschaften der erzeugten Photonen nach dem Hochschaukeln vergleichbar sind mit den Ergebnissen etablierter Methoden zur Erzeugung von Einzelphotonen, die aber weniger praktisch arbeiten“, ergänzt Prof. Dr. Martin Axt, der das Forscher-Team aus Bayreuth leitet.
Bei der Studie handelt es sich um eine theoretische Arbeit. Durch die Zusammenarbeit zwischen theoretischen und experimentellen Gruppen ist der Vorschlag jedoch sehr nahe an realisierbaren, experimentellen Laborbedingungen. Die Autoren sind zuversichtlich, dass eine experimentelle Umsetzung des Schemas in Kürze erfolgen wird.
Förderung
Das Projekt-Team aus Münster hatte finanzielle Unterstützung von der der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über das Projekt 428026575. Tobias Heindel wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das Projekt “QuSecure” (Grant No. 13N14876) im Rahmen der Photonik Forschung Deutschland. Alexei Vagov hatte finanzielle Unterstützung von der Russian Science Foundation über das Projekt No. 18-12-00429.
Originalveröffentlichung:
Thomas K. Bracht, Michael Cosacchi, Tim Seidelmann, Moritz Cygorek, Alexei Vagov, V. Martin Axt, Tobias Heindel, and Doris E. Reiter (2021): Swing-Up of Quantum Emitter Population Using Detuned Pulses. PRX Quantum 2, 040354; DOI: 10.1103/PRXQuantum.2.040354
Links:
- Originalveröffentlichung in „PRX Quantum“
https://journals.aps.org/prxquantum/abstract/10.1103/PRXQuantum.2.040354 - Gruppe von Juniorprofessorin Dr. Doris Reiter an der WWU Münster
https://www.uni-muenster.de/Physik.FT/Forschung/agreiter/ - Gruppe von Dr. Tobias Heindel an der TU Berlin
https://www.ifkp.tu-berlin.de/menue/arbeitsgruppen/jag_heindel/home/ - Gruppe von Prof. Dr. Martin Axt an der Universität Bayreuth
https://www.axt.physik.uni-bayreuth.de/de/index.html
Quelle: Pressemitteilung / Pressestelle der Universität Münster (upm)