Experten bestätigen Meteoritenfund in Elmshorn

Himmelsgestein zeugt von intensiven Kollisionen im frühen Sonnensystem

Ein mutmaßlicher Meteoritenfund Ende April in Elmshorn in Schleswig-Holstein ist nun bestätigt: Wissenschaftler aus Münster und Dresden haben den Fund analysiert und dabei festgestellt, dass es sich bei dem Gestein um einen sogenannten gewöhnlichen Chondriten des Typen H handelt. Das ist eine Gruppe von Meteoriten, die einen besonders hohen Anteil an Metall besitzen. Das Himmelsgestein stammt aus der Urzeit des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren und weist eine intensive Brekziierung auf. Das bedeutet, dass das Gestein aus verschiedenen Bestandteilen wie etwa sehr ursprünglichem und unverändertem so wie stark erhitztem Material besteht. „Die Brekziierung des Meteoriten ist durch vorherige Kollisionen im frühen Sonnensystem und im Asteroidengürtel entstanden, einer Region mit einer besonders hohen Ansammlung von Asteroiden, die zwischen Mars und Jupiter liegt. In anderen Worten, der Mutterkörper des Meteoriten Elmshorn ist dort mit anderen Asteroiden kollidiert und ermöglicht uns so Einblicke in die Geschichte dieses Himmelskörpers.“, erklärt Dr. Markus Patzek vom Institut für Planetologie der Universität Münster.

Für ihre Analysen zersägten die Wissenschaftler in Münster ein circa 40 Gramm schweres Stück des Meteoriten und stellten mehrere sogenannte Dünnschliffe her. Diese nur 30 Mikrometer dicken Gesteinsscheiben erlauben weitergehende Untersuchungen der internen Struktur mittels optischer und Elektronenmikroskopie. Ein Teil wurde zu einem feinen Pulver verarbeitet, das die Forscher zur weiteren chemischen und isotopischen Untersuchung beteiligten Instituten in Europa zur Verfügung gestellt haben. Dr. Detlev Degering vom VKTA – Strahlenschutz, Analytik & Entsorgung Rossendorf e.V. untersucht aktuell ein weiteres Fundstück des Meteoriten im Untertagelabor Felsenkeller mittels hochempfindlicher Gammaspektrometrie auf vorrangig kurzlebige Radionuklide. Diese entstanden während seines Aufenthaltes im All und bestätigen zum Beispiel, dass es sich tatsächlich um einen aktuellen Fall handelt. Dieter Heinlein vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellte bereits anhand von Fotos sicher, dass hier echte Steinmeteorite vorliegen.

Zum Hintergrund

Am 25. April leuchtete um 14.14 Uhr für etwa vier Sekunden eine Tageslicht-Feuerkugel über Schleswig-Holstein auf. Diese helle Leuchterscheinung wurde von zwei Meteorkameras des „Allsky7 Netzwerks“ aufgezeichnet und von einigen Augenzeugen in Deutschland und den Niederlanden beobachtet. Kurz darauf entdeckten Einwohner des Ortes Elmshorn Einschläge auf Dächern und in Gärten und fanden Meteorite von einigen hundert Gramm bis mehrere Kilogramm. Einige der Fundstücke stellten sie den Wissenschaftlern dankenswerter Weise zur Untersuchung zur Verfügung. Nach dem Meteoritenfall von Flensburg im Jahr 2019 ist dies der nächste Meteoritenfall in Deutschland, bei dem Bruchstücke eines fremden Himmelskörpers, der mit der Erde kollidierte, gefunden wurden.

Unter Leitung der münsterschen Planetologen Dr. Markus Patzek und Prof. Dr. Addi Bischoff werden in den kommenden Wochen weitere Forschungsarbeiten an dem Elmshorn Meteoriten koordiniert, an denen unter anderem Institute aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz beteiligt sind. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob der Meteorit weitere Erkenntnisse über Kollisions- und Bildungsprozesse im frühen Sonnensystem liefert.


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Quelle: Pressemitteilung / Pressestelle der Universität Münster (upm)




Spätes Bombardement des Monds entschlüsselt

Münstersche Planetologen erforschen schweres Bombardement des Mondes vor 3,9 Milliarden Jahren / Veröffentlichung in “Science Advances”

Einschläge von Asteroiden haben zahlreiche Krater auf der Mondoberfläche hinterlassen. Altersbestimmungen an Mondgesteinen deuten darauf hin, dass die meisten dieser Einschläge vor etwa 3,9 Milliarden Jahren beziehungsweise etwa 500 Millionen Jahren nach Entstehung des Erdtrabanten stattgefunden haben. Diese Beobachtungen haben zu der sogenannten Theorie des „späten schweren Bombardements“ des Mondes (oder LHB für „Late Heavy Bombardment“) geführt; der Begriff spät bezeichnet in diesem Zusammenhang eine längere Zeitspanne nach Bildung des Mondes.

Aber was war der Ursprung dieses späten Bombardements, und woher kamen die Asteroiden, die auf dem Mond eingeschlagen sind? Unter den Wissenschaftlern kursieren zwei Theorien. So könnten diese Körper das übriggebliebene Material aus der Hauptphase der Erdentstehung darstellen, die mit kontinuierlich abnehmender Häufigkeit auf dem Mond eingeschlagen sind. Eine andere Hypothese besagt, dass es vor etwa 3,9 Milliarden Jahren durch Instabilitäten in den Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen zu einem plötzlichen starken Anstieg von Einschlägen von Asteroiden und Kometen aus dem äußeren Sonnensystem gekommen ist. Planetologen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben diese Hypothesen mit sehr genauen Isotopenmessungen an Mondgesteinen überprüft. Ihr Ergebnis und Fazit: Es gab keine plötzliche Erhöhung der Einschlagsrate. Das Bombardement des Mondes geht demnach auf kontinuierliche Einschläge von Asteroiden zurück, die aus der Hauptphase der Erd-Entstehung übriggeblieben sind. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Science Advances“ veröffentlicht.

Zum Studienhintergrund

Die münsterschen Wissenschaftler vom Institut für Planetologie untersuchten Mondgesteine, die während des Bombardements vor 3,9 Milliarden Jahren entstanden sind. Diese Gesteine enthalten winzige Metallkügelchen, die von den Asteroiden stammen. Durch die Untersuchung der Isotopen-Zusammensetzung dieser Metallkügelchen können die Forscher bestimmen, woher aus dem Sonnensystem diese Asteroiden stammen. Dabei zeigen vor allem die Elemente Ruthenium und Molybdän systematische Veränderungen in ihrer Isotopenzusammensetzung, abhängig vom Bildungsort im Sonnensystem. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Bombardement des Mondes durch die gleichen Körper erfolgte, aus denen auch schon die Erde und der Mond entstanden sind“, erklärt die Planetologin und Erstautorin der Studie, Dr. Emily Worsham.

Die Einschlagskrater auf dem Mond gehen demnach auf ein kontinuierliches Bombardement mit übriggebliebenen Asteroiden aus der Hauptphase der Erd-Entstehung zurück. Damit können die Wissenschaftler auch einen plötzlichen Anstieg der Einschlagsrate durch das Bombardement mit Körpern aus dem äußeren Sonnensystem ausschließen. Aber woher kommt die Häufung der Alter von 3,9 Milliarden Jahren? „Es wurde schon früher vermutet, dass die bisher untersuchten Mondgesteine überwiegend aus Material von einem einzigen Einschlagsbecken bestehen – dem Mare Imbrium in der nördlichen Mitte der erdzugewandten Seite des Mondes“, erklärt Emily Worsham.

Aus theoretischen Berechnungen ist bekannt, dass sich die Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen irgendwann in der Frühgeschichte des Sonnensystems verändert haben und dabei eine Vielzahl an Körpern aus dem äußeren Sonnensystem nach innen gestreut wurden, die unter anderem mit der Erde und dem Mond kollidierten. „Dieses Ereignis muss früher als bisher angenommen stattgefunden haben, da wir in den Mondgesteinen keine Hinweise auf Einschläge von Asteroiden oder Kometen aus den äußeren Bereichen des Sonnensystems finden“, erläutert Prof. Dr. Thorsten Kleine. Die Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen haben sich daher vermutlich während der Hauptbildungsphase der erdähnlichen Planeten verändert – das heißt in den ersten etwa 100 Millionen Jahren des Sonnensystems. Das stimmt wiederum gut mit neueren dynamischen Modellen überein. „Unsere Studie zeigt somit auch, dass die erdähnlichen Planeten schon relativ früh, während ihrer Entstehung, wasserreiche Körper aus dem äußeren Sonnensystem eingebaut haben und so die Bedingungen für die Entstehung von Leben geschaffen wurden“, ergänzt Thorsten Kleine.

Förderung

Die Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/Transregio 170 „Late accretion onto terrestrial planets“ („Spätes Wachstum erdähnlicher Planeten“) und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.

Originalpublikation

Emily Worsham und Thorsten Kleine (2021): Late accretionary history of Earth and Moon preserved in lunar impactites. Science Advances Vol. 7; doi: 10.1126/sciadv.abh2837


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Quelle: Pressemitteilung / Pressestelle der Universität Münster (upm)




Raumsonde BepiColombo fliegt auf dem Weg zum Merkur an der Erde vorbei

Schwerkraft-Bremsmanöver am 10. April 2020

Beobachtung der Mondvorderseite mit Spektrometer “MERTIS” nach 20-jähriger Vorbereitung

Am Karfreitag (10.04.2020) wird die ESA-Raumsonde „BepiColombo“ in den frühen Morgenstunden mit mehr als 30 Kilometern pro Sekunde auf die Erde zufliegen. Um 6.25 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit passiert sie, von der Tagseite kommend, über dem Südatlantik in 12.677 Kilometern Höhe den Punkt der größten Annäherung und fliegt dadurch auf der Nachtseite weiter in Richtung des inneren Sonnensystems – nun etwas langsamer als sie angekommen ist. Das sogenannte Flyby-Manöver an der Erde dient vor allem dazu, BepiColombo ohne den Einsatz von Treibstoff ein wenig abzubremsen, um die Raumsonde auf einen Kurs zur Venus zu bringen. Mit zwei Nahvorbeiflügen an der Venus ab dem 16. Oktober dieses Jahres wird BepiColombo auf einer Flugbahn sein, die zum Ziel der sechsjährigen Reise führt: einer Umlaufbahn um den innersten Planeten des Sonnensystems Merkur.

Für Planetenforscher des Instituts für Planetologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist das eine einmalige Gelegenheit zu einem besonderen Experiment am Mond: Ohne Störungen durch die Erdatmosphäre wird die von der Sonne angestrahlte Vorderseite des Mondes mit dem bildgebenden Infrarot-Spektrometer „MERTIS“ (Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer) schon am 9. April erstmals in den Wellenlängen des thermalen Infrarot beobachtet und auf ihre mineralogische Zusammensetzung untersucht. Am Merkur soll MERTIS die Zusammensetzung und die Mineralogie der Oberfläche und das Planeteninnere des Merkur untersuchen.

„Der Mond und der gar nicht mal viel größere Planet Merkur haben Oberflächen, die in vielerlei Hinsicht ähnlich sind“, erklärt Prof. Harald Hiesinger von der WWU, wissenschaftlicher Leiter des MERTIS-Experiments. Er freut sich nach Jahrzehnten der Mondforschung auf die jetzt anstehenden Messungen. „Wir bekommen zum einen neue Informationen zu gesteinsbildenden Mineralen und den Temperaturen auf der Mondoberfläche und können die Ergebnisse später mit denen am Merkur vergleichen.“ Sowohl der Mond als auch der Merkur sind zwei fundamental wichtige Körper, um das gesamte Sonnensystem zu verstehen. „Von den Beobachtungen mit MERTIS erhoffe ich mir viele aufregende Ergebnisse. Nach rund 20 Jahren intensiver Vorbereitungen ist es am Donnerstag endlich soweit – wir erhalten die ersten wissenschaftlichen Daten unseres Instruments aus dem Weltraum“, betont Harald Hiesinger.

Die wissenschaftliche Auswertung der Daten erfolgt gemeinsam durch die beteiligten Institute in Münster, Berlin, Göttingen und Dortmund sowie an mehreren europäischen und amerikanischen Standorten.

„Die Beobachtung des Mondes mit unserem Spektrometer MERTIS an Bord von BepiColombo ist eine einmalige Gelegenheit“, betont Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung, mitverantwortlich für das dort maßgeblich entwickelte MERTIS-Instrument. Die Wissenschaftler untersuchen die der Erde zugewandte Mondvorderseite spektroskopisch erstmals in den Wellenlängen des thermalen Infrarot. Ohne die störende Erdatmosphäre ergibt die Perspektive aus dem Weltraum einen wertvollen neuen Datensatz für die Mondforschung. Außerdem können die Forscher testen, wie gut das Instrument funktioniert und Erfahrungen für den Betrieb am Merkur sammeln. Ein besonderer Praxistest ist auch die aktuelle Situation im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Das Team wird aus dem Homeoffice das MERTIS-Instrument betreuen und die Daten prozessieren und auswerten. Das wurde in den vergangenen Tagen schon einige Male getestet und die „Datenauswertung am Küchentisch“ scheint gut zu funktionieren.

Die letzte Gelegenheit, „Bepi“ zu beobachten – aber nicht in Deutschland

Raumfahrt-Enthusiasten fragen sich, ob sie Gelegenheit haben, BepiColombo vor seinem Abschied auf dem Weg ins innere Sonnensystem während des Flybys ein letztes Mal am Himmel beobachten zu können: die Antwort lautet ja, allerdings nur südlich von 30 Grad Nord über dem Atlantik, in Südamerika, in Mexiko und mit Einschränkungen über Texas und Kalifornien. In Mitteleuropa bleibt der Trost, dass es in der Nacht vom 7. auf den 8. April einen außerordentlich großen Vollmond, populär gerne als Supermond“ bezeichnet, zu sehen geben wird.


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Quelle: Pressemitteilung / Pressestelle der Universität Münster (upm)