Quantensystem: Schaukeln auf der Quantenebene

Forschungs-Team aus Münster, Bayreuth und Berlin schlägt einen neuen Weg vor, um Einzelphotonen zu erzeugen

Nach der „ersten Quantenrevolution“ – der Entwicklung von Geräten wie Laser und Atomuhr – ist derzeit die „zweite Quantenrevolution“ im vollen Gange: Experten aus aller Welt entwickeln grundlegend neue Technologien, die auf der Quantenphysik beruhen. Eine Schlüsselanwendung ist die Quantenkommunikation, bei der Informationen in Licht geschrieben und verschickt werden. Für viele Anwendungen von Quanteneffekten muss das Licht in einem bestimmten Zustand sein, nämlich in einem Einzelphotonenzustand. Aber wie erzeugt man solche 2021 und Berlin schlagen in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „PRX-Quantum“ jetzt einen neuen Weg vor, ein Quantensystem zu präparieren, um Bauteile für die Quantentechnologie zu entwickeln.

Aus Expertensicht ist es sehr vielversprechend, Quantensysteme zu nutzen, um Einzelphotonenzustände zu erzeugen. Ein bekanntes Beispiel für solch ein Quantensystem ist ein Quantenpunkt. Dabei handelt es sich um eine Halbleiter-Struktur, die nur wenige Nanometer groß ist. Mit Hilfe von Lasern kann man Quantenpunkte ansteuern. Zwar haben Quantenpunkte ähnliche Eigenschaften wie Atome, aber sie sind in einem Kristall vorhanden, was für Anwendungen oft praktischer ist. „Quantenpunkte sind hervorragend für die Erzeugung einzelner Photonen geeignet, und das machen wir in unserem Labor auch schon beinahe täglich. Aber man kann daran noch viel verbessern, gerade wenn man diese Technologie aus dem Labor in die Anwendung bringen möchte“, sagt Dr. Tobias Heindel, Leiter eines Experimentallabors für die Quantenkommunikation an der TU Berlin.

Eine Schwierigkeit, die man überwinden muss, ist die Trennung der erzeugten Einzelphotonen von dem anregenden Licht des Lasers. In ihrer Arbeit schlagen die Forscher eine ganz neue Methode vor, um dieses Problem zu lösen. „Die Anregung nutzt einen Schaukel-Prozess in dem Quantensystem aus. Dafür nutzen wir einen oder mehrere Laserpulse, welche Frequenzen haben, die sich von denen des Systems deutlich unterscheiden. Dies macht das spektrale Filtern sehr einfach“, erklärt der Erstautor der Studie, Thomas Bracht von der Universität Münster.

Als „Schaukel-Prozess“ bezeichnen die Wissenschaftler ein besonderes Verhalten der durch das Laserlicht in dem Quantensystem angeregten Teilchen – der Elektronen, genauer gesagt Elektron-Loch-Paare (Exzitonen). Dabei benutzt man Laserlicht von zwei Lasern, die nahezu gleichzeitig Lichtpulse abgeben. Durch die Wechselwirkung der Pulse miteinander entsteht eine schnelle Modulation. Bei jedem Modulationszyklus wird das Teilchen immer etwas angeregt, aber auch wieder abgeregt. Dabei fällt es nicht auf den vorherigen Stand, sondern wird mit jedem „Schaukelschwung“ stärker angeregt, bis es den maximalen Zustand erreicht. Der Vorteil dieser Methode ist, dass das Laserlicht nicht dieselbe Frequenz hat wie das Licht, das von den angeregten Teilchen abgegeben wird. Vom Quantenpunkt abgegebene Photonen können daher eindeutig zugeordnet werden.

Das Team hat diesen Prozess in dem Quantensystem simuliert und so Richtlinien zur experimentellen Realisierung gegeben. „Wir erklären auch die Physik des Schaukel-Prozesses, was uns dabei hilft, die Dynamik in Quantensystemen besser zu verstehen“, betont Juniorprofessorin Dr. Doris Reiter, die die Studie geleitet hat.

Um die Photonen in der Quantenkommunikation benutzen zu können, müssen sie gewisse Eigenschaften besitzen. Außerdem sollte die Kontrolle des Quantensystems nicht negativ durch die Umgebung oder Störeinflüsse beeinflusst werden. In Quantenpunkten ist besonders die Wechselwirkung mit dem umgebenden Halbleitermaterial oft ein großes Problem für solche Kontrollschemas. „Unsere numerischen Simulationen zeigen, dass die Eigenschaften der erzeugten Photonen nach dem Hochschaukeln vergleichbar sind mit den Ergebnissen etablierter Methoden zur Erzeugung von Einzelphotonen, die aber weniger praktisch arbeiten“, ergänzt Prof. Dr. Martin Axt, der das Forscher-Team aus Bayreuth leitet.

Bei der Studie handelt es sich um eine theoretische Arbeit. Durch die Zusammenarbeit zwischen theoretischen und experimentellen Gruppen ist der Vorschlag jedoch sehr nahe an realisierbaren, experimentellen Laborbedingungen. Die Autoren sind zuversichtlich, dass eine experimentelle Umsetzung des Schemas in Kürze erfolgen wird.

Förderung

Das Projekt-Team aus Münster hatte finanzielle Unterstützung von der der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über das Projekt 428026575. Tobias Heindel wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das Projekt “QuSecure” (Grant No. 13N14876) im Rahmen der Photonik Forschung Deutschland. Alexei Vagov hatte finanzielle Unterstützung von der Russian Science Foundation über das Projekt No. 18-12-00429.

Originalveröffentlichung:

Thomas K. Bracht, Michael Cosacchi, Tim Seidelmann, Moritz Cygorek, Alexei Vagov, V. Martin Axt, Tobias Heindel, and Doris E. Reiter (2021): Swing-Up of Quantum Emitter Population Using Detuned Pulses. PRX Quantum 2, 040354; DOI: 10.1103/PRXQuantum.2.040354


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Kosmische Expansion: Das ungleichmäßige Universum

Forscher untersuchen kosmische Expansion mit Methoden aus der Physik von Vielteilchensystemen / Veröffentlichung in “Physical Review Letters”

In kosmologischen Rechnungen wird fast immer angenommen, dass die Materie im Universum gleichmäßig verteilt ist. Das liegt daran, dass die Berechnungen zu kompliziert würden, würde man die Position jedes einzelnen Sterns einbauen. In Wirklichkeit ist das Universum nicht gleichmäßig. An manchen Stellen befinden sich Sterne und Planeten, an anderen herrscht Leere. Die Physiker Michael te Vrugt und Prof. Dr. Raphael Wittkowski vom Institut für Theoretische Physik und vom Center for Soft Nanoscience (SoN) der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben jetzt mit der Physikerin Dr. Sabine Hossenfelder vom Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) ein neues Modell für dieses Problem entwickelt. Ausgangspunkt ist der Mori-Zwanzig-Formalismus, eine Methode zur Beschreibung von Systemen aus sehr vielen Teilchen mit einer kleinen Anzahl von Messgrößen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.

Zum Hintergrund: Die von Albert Einstein entwickelte Allgemeine Relativitätstheorie (ART) ist eine der erfolgreichsten Theorien der modernen Physik. Zwei der letzten fünf Physiknobelpreise betrafen dieses Gebiet: 2017 für die Messung von Gravitationswellen, 2020 für die Entdeckung eines schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße. Eine der wichtigsten Anwendungen der ART ist die Beschreibung der kosmischen Expansion, also der Ausdehnung des Universums seit dem Urknall. Die Geschwindigkeit dieser Ausdehnung wird von der Menge an Energie im Universum bestimmt. Neben der sichtbaren Materie spielen hier – zumindest gemäß dem aktuell in der Kosmologie verwendeten „Lambda-CDM-Modell“ – vor allem die dunkle Materie und dunkle Energie eine Rolle.

„Streng genommen, ist es mathematisch falsch, den Mittelwert der Energiedichte des Universums in die Gleichungen der ART einzusetzen“, betont Sabine Hossenfelder. Die Frage ist nun, wie „schlimm“ dieser Fehler ist. Manche Experten halten ihn für irrelevant, andere sehen darin die Lösung für das Rätsel der dunklen Energie, deren physikalische Natur bislang unbekannt ist. Eine ungleichmäßige Verteilung der Masse im Universum kann sich auf die kosmische Expansionsgeschwindigkeit auswirken.

„Der Mori-Zwanzig-Formalismus wird bereits in sehr vielen Forschungsgebieten von der Biophysik bis zur Teilchenphysik erfolgreich eingesetzt, daher bot er auch für dieses astrophysikalische Problem einen vielversprechenden Ansatz“, erklärt Raphael Wittkowski. Das Team verallgemeinerte diesen Formalismus, sodass er auf die ART angewendet werden konnte, und leitete so ein Modell für die kosmische Expansion unter Berücksichtigung kosmischer Ungleichmäßigkeiten her.

Das Modell macht eine konkrete Vorhersage für die Auswirkung dieser sogenannten Inhomogenitäten auf die Geschwindigkeit der Ausdehnung des Universums. Diese weicht leicht von der Vorhersage des Lambda-CDM-Modells ab und bietet daher eine Möglichkeit, das neue Modell experimentell zu testen. „Aktuell sind die astronomischen Daten nicht genau genug, um diese Abweichung zu messen, aber die großen Fortschritte etwa bei der Messung von Gravitationswellen bieten Anlass zur Hoffnung, dass sich das ändert“, sagt Michael te Vrugt. „Außerdem lässt sich die neue Variante des Mori-Zwanzig-Formalismus auch auf andere astrophysikalische Probleme anwenden, die Arbeit ist also nicht nur für die Kosmologie relevant.“

Finanzierung

Michael te Vrugt wird durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert. Sabine Hossenfelder erhält finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, HO 2601/8-1). Die Arbeitsgruppe Wittkowski wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, WI 4170/3-1) finanziert.

Originalpublikation

M. te Vrugt, S. Hossenfelder, R. Wittkowski (2021). Mori-Zwanzig formalism for general relativity: a new approach to the averaging problem. Physical Review Letters 127, 231101. DOI: 10.1103/PhysRevLett.127.231101


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Festkörperbatterien: Cluster startet in die zweite Runde

Zwei Arbeitsgruppen der Universität Münster an Projekt “FestBatt” des Bundesforschungsministeriums beteiligt

Der Kompetenzcluster für Festkörperbatterien „FestBatt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) startet in die zweite Förderphase. In der ersten Phase (2018 bis 2021) erarbeiteten mehr als 100 Forscherinnen und Forscher die wissenschaftlichen Grundlagen der Synthese sogenannter Festelektrolyte als Kernkomponenten von Festkörperbatterien. Im Mittelpunkt der zweiten Phase, die jetzt startet, steht die Entwicklung von Zellkomponenten und ganzen Festkörperbatteriezellen auf der Basis dieser Elektrolyte und der dafür notwendigen Material- und Prozesstechnologie. Hierfür setzt das BMBF die Förderung des Kompetenzclusters „FestBatt“ mit insgesamt rund 23 Millionen Euro für drei Jahre fort. Beteiligt sind 17 wissenschaftliche Einrichtungen, darunter erneut zwei am Standort Münster: die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster und das Helmholtz-Institut Münster.

Das Konzept der Festkörperbatterie gilt als mögliche Weiterentwicklung der heute gängigen Lithiumionenbatterien mit flüssigen Elektrolyten. Festkörperbatterien kommen ohne brennbare Bestandteile aus und versprechen höhere Energiedichten sowie kürzere Ladezeiten. Sie erfahren daher international großes Interesse, das von zahlreichen Ankündigungen industrieller Akteure verstärkt wird. Allerdings sind eine Reihe von wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen auf dem Weg zum kommerziellen Erfolg und zur Massenproduktion von Festkörperbatterien noch ungelöst.

In den Projekten der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Andreas Heuer am Institut für Physikalische Chemie, die auch Aktivitäten im Helmholtz-Institut Münster einbeziehen, werden mittels Computersimulationen Prozesse in Festkörperbatterien untersucht und auf dieser Basis Vorschläge zur Optimierung entwickelt. Im Zentrum der Studien stehen Grenzflächen zwischen verschiedenen Batteriekomponenten sowie neuartige Elektrolytsysteme, die auf gezielt synthetisierten polymeren Materialien basieren.

Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Wolfgang Zeier am Institut für Anorganische und Analytische Chemie ist an zwei Projekten des Clusters beteiligt. Zum einen arbeiten die Forscher daran, neue Festelektrolyte mit verbesserten Eigenschaften wie beispielsweise eine Erhöhung der Langzeitstabilität der Festkörperbatterien zu entwickeln. Zum anderen wollen sie neue hybride Festelektrolyte entwickeln, um mechanische Spannungen in Festkörperbatterien zu verringern.


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Mit Licht in den vierdimensionalen Raum blicken

Forscherteam entwickelt erstmals ein Lichtfeld, welches die Struktur des vierdimensionalen Raums widerspiegelt

Licht wird in modernen Anwendungen zu verschiedenen Zwecken eingesetzt. Daten lassen sich zum Beispiel mit Licht übertragen und nanoskopische Strukturen durch Licht erzeugen. Um solche Anwendungen zu ermöglichen, muss das Licht räumlich strukturiert werden. Dazu werden seine Eigenschaften – Intensität (Helligkeit), Phase (Position im Schwingungszyklus) und Polarisation (Richtung der Lichtschwingung) – „maßgeschneidert“. Typischerweise entstehen so im dreidimensionalen Raum strukturierte Lichtfelder, zum Beispiel durch die Anwendung eines Hologramms. Darüber hinausgehend hat nun ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Cornelia Denz von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster und Prof. Dr. Mark Dennis von der Universität Birmingham (Großbritannien) eine Methode entwickelt, mit der das Licht derart strukturiert wird, dass eine Projektion aus dem vierdimensionalen Raum entsteht. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Das Team hat die komplexe Lichtstruktur zunächst theoretisch (mathematisch) vorhergesagt und sie anschließend experimentell realisiert und vermessen. Die Struktur nennt sich Hopfion, benannt nach dem deutsch-schweizerischen Mathematiker Heinz Hopf. Sie sieht – vereinfacht gesagt – aus wie zahllose ineinander verschlungene Ringe, und die Projektion in den dreidimensionalen Raum ist vergleichbar mit der Projektion der dreidimensionalen Erde auf eine zweidimensionale Landkarte. Im Gegensatz dazu wird beim Hopfion jedoch ein Teil des vierdimensionalen in den dreidimensionalen Raum übertragen. Das bedeutet: Aus den Messungen im dreidimensionalen Raum lassen sich Rückschlüsse auf die Eigenschaften der vierten Dimension ziehen.

Die Suche nach vierdimensionalen Lichtfeldern beschäftigt die Optikgemeinde, weil man mit derart strukturiertem Licht beispielsweise eine Möglichkeit hätte, Daten schneller zu übertragen. „Bei der vierten Dimension handelt es sich um eine mathematische Konstruktion. Vier Dimensionen können wir uns mit unseren Sinnen räumlich nicht vorstellen“, sagt Physiker Ramon Droop von der WWU Münster, einer der Erstautoren der Studie.

Die Wissenschaftler entwickelten ein Verfahren, welches das Licht aus zwei Laserstrahlen in eine etwa 0,2 x 0,2 x 50 Kubikmillimeter große, zum Hopfion verwobene Struktur lenkt. Dies gelang ihnen durch den Einsatz von sogenannten räumlichen Lichtmodulatoren auf Flüssigkristallbasis, mit denen sich die optischen Eigenschaften des Lichts elektrisch kontrollieren lassen.

Das Team entwickelte auch eine neue Aufnahmemethode, mit der die Eigenschaften des Lichts, welche den vier Dimensionen zugeordnet sind, räumlich aufgelöst werden können. Dazu verwendet die Gruppe ein der Tomographie ähnliches Verfahren der Vermessung zweidimensionaler Schnitte, die dann zum dreidimensionalen Raum zusammengesetzt werden. Anschließend kann genau berechnet werden, welcher Teil des vierdimensionalen Raums abgebildet ist.

„Auf der Basis dieser Forschungsergebnisse könnten zukünftig neue Arten von Laserstrahlen entwickelt werden, mit denen Datenkommunikation sicherer wird. Die Anordnung von Nanostrukturen könnte vielseitiger und einfacher und die Materialbearbeitung präziser gestaltet werden“, gibt Cornelia Denz einen Ausblick.

Originalpublikation

Danica Sugic, Ramon Droop, Eileen Otte, Daniel Ehrmanntraut, Franco Nori, Janne Ruostekoski, Cornelia Denz & Mark R. Dennis (2021): Particle-like topologies in light. Nature Communications 12, 6785; DOI: 10.1038/s41467-021-26171-5


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Spätes Bombardement des Monds entschlüsselt

Münstersche Planetologen erforschen schweres Bombardement des Mondes vor 3,9 Milliarden Jahren / Veröffentlichung in “Science Advances”

Einschläge von Asteroiden haben zahlreiche Krater auf der Mondoberfläche hinterlassen. Altersbestimmungen an Mondgesteinen deuten darauf hin, dass die meisten dieser Einschläge vor etwa 3,9 Milliarden Jahren beziehungsweise etwa 500 Millionen Jahren nach Entstehung des Erdtrabanten stattgefunden haben. Diese Beobachtungen haben zu der sogenannten Theorie des „späten schweren Bombardements“ des Mondes (oder LHB für „Late Heavy Bombardment“) geführt; der Begriff spät bezeichnet in diesem Zusammenhang eine längere Zeitspanne nach Bildung des Mondes.

Aber was war der Ursprung dieses späten Bombardements, und woher kamen die Asteroiden, die auf dem Mond eingeschlagen sind? Unter den Wissenschaftlern kursieren zwei Theorien. So könnten diese Körper das übriggebliebene Material aus der Hauptphase der Erdentstehung darstellen, die mit kontinuierlich abnehmender Häufigkeit auf dem Mond eingeschlagen sind. Eine andere Hypothese besagt, dass es vor etwa 3,9 Milliarden Jahren durch Instabilitäten in den Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen zu einem plötzlichen starken Anstieg von Einschlägen von Asteroiden und Kometen aus dem äußeren Sonnensystem gekommen ist. Planetologen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben diese Hypothesen mit sehr genauen Isotopenmessungen an Mondgesteinen überprüft. Ihr Ergebnis und Fazit: Es gab keine plötzliche Erhöhung der Einschlagsrate. Das Bombardement des Mondes geht demnach auf kontinuierliche Einschläge von Asteroiden zurück, die aus der Hauptphase der Erd-Entstehung übriggeblieben sind. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Science Advances“ veröffentlicht.

Zum Studienhintergrund

Die münsterschen Wissenschaftler vom Institut für Planetologie untersuchten Mondgesteine, die während des Bombardements vor 3,9 Milliarden Jahren entstanden sind. Diese Gesteine enthalten winzige Metallkügelchen, die von den Asteroiden stammen. Durch die Untersuchung der Isotopen-Zusammensetzung dieser Metallkügelchen können die Forscher bestimmen, woher aus dem Sonnensystem diese Asteroiden stammen. Dabei zeigen vor allem die Elemente Ruthenium und Molybdän systematische Veränderungen in ihrer Isotopenzusammensetzung, abhängig vom Bildungsort im Sonnensystem. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Bombardement des Mondes durch die gleichen Körper erfolgte, aus denen auch schon die Erde und der Mond entstanden sind“, erklärt die Planetologin und Erstautorin der Studie, Dr. Emily Worsham.

Die Einschlagskrater auf dem Mond gehen demnach auf ein kontinuierliches Bombardement mit übriggebliebenen Asteroiden aus der Hauptphase der Erd-Entstehung zurück. Damit können die Wissenschaftler auch einen plötzlichen Anstieg der Einschlagsrate durch das Bombardement mit Körpern aus dem äußeren Sonnensystem ausschließen. Aber woher kommt die Häufung der Alter von 3,9 Milliarden Jahren? „Es wurde schon früher vermutet, dass die bisher untersuchten Mondgesteine überwiegend aus Material von einem einzigen Einschlagsbecken bestehen – dem Mare Imbrium in der nördlichen Mitte der erdzugewandten Seite des Mondes“, erklärt Emily Worsham.

Aus theoretischen Berechnungen ist bekannt, dass sich die Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen irgendwann in der Frühgeschichte des Sonnensystems verändert haben und dabei eine Vielzahl an Körpern aus dem äußeren Sonnensystem nach innen gestreut wurden, die unter anderem mit der Erde und dem Mond kollidierten. „Dieses Ereignis muss früher als bisher angenommen stattgefunden haben, da wir in den Mondgesteinen keine Hinweise auf Einschläge von Asteroiden oder Kometen aus den äußeren Bereichen des Sonnensystems finden“, erläutert Prof. Dr. Thorsten Kleine. Die Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen haben sich daher vermutlich während der Hauptbildungsphase der erdähnlichen Planeten verändert – das heißt in den ersten etwa 100 Millionen Jahren des Sonnensystems. Das stimmt wiederum gut mit neueren dynamischen Modellen überein. „Unsere Studie zeigt somit auch, dass die erdähnlichen Planeten schon relativ früh, während ihrer Entstehung, wasserreiche Körper aus dem äußeren Sonnensystem eingebaut haben und so die Bedingungen für die Entstehung von Leben geschaffen wurden“, ergänzt Thorsten Kleine.

Förderung

Die Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/Transregio 170 „Late accretion onto terrestrial planets“ („Spätes Wachstum erdähnlicher Planeten“) und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.

Originalpublikation

Emily Worsham und Thorsten Kleine (2021): Late accretionary history of Earth and Moon preserved in lunar impactites. Science Advances Vol. 7; doi: 10.1126/sciadv.abh2837


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MOS 6502: Video: Vortrag: Bill Mensch – Entstehung und Entwicklung der 6502 Familie (engl.)

Ein Interview mit Stephen Edwards und Bill Mensch dem Mit-Erfinder der 6502-Familie (01:24:53h, engl.) auf dem Vintage Computer Festival West am 8. August 2021, The Computer History Museum, Mountain View, CA




C64: Video: Vortrag: The Ultimate Commodore 1541 Drive Talk, Michael Steil (engl.)

Ein Vortrag von Michael Steil (00:51:32h, engl.) über das Commodore 1541 Diskettenlaufwerk auf dem Vintage Computer Festival West am 8. August 2021, The Computer History Museum, Mountain View, CA




Spin-Sonics: Schallwelle lässt Elektronen kreisen

Forscherteam weist “Spin” einer Nanoschallwelle erstmals in Echtzeit nach / Brückenschlag zwischen Akustik und Optik

Einem deutsch-amerikanischen Forscherteam aus Augsburg, Münster, Edmonton, West Lafayette und München ist es gelungen, die rollende Bewegung einer Nanoschallwelle nachzuweisen, die der berühmte Physiker und Nobelpreisträger Lord Rayleigh 1885 vorhersagte. In einer in der Fachzeitschrift “Science Advances” veröffentlichten Studie verwenden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Nanodraht, in dessen Inneren Elektronen durch den “Spin” der Schallwelle auf Kreisbahnen gezwungen werden. Dieses nun nachgewiesene Phänomen kann beispielsweise in akustischen Quantentechnologien oder in sogenannten phononischen Bauelementen, mit denen sich die Ausbreitung akustischer Wellen kontrollieren lässt, gezielt verwendet werden.

Schallwellen sind wahre Tausendsassa in der modernen Nanophysik, da sie nahezu jedes andere System beeinflussen können. Beispielsweise sorgen winzige mikroakustische Chips in Computern, Smartphones oder Tablets dafür, dass die empfangenen “Wireless”-Funksignale elektronisch weiterverarbeitet werden. Trotz vielseitiger Einsatzgebiete verstehen selbst Experten die grundlegenden Eigenschaften der Nanoschallwellen immer noch nicht vollständig.

“Seit Lord Rayleighs bahnbrechender Arbeit war klar, dass es Schallwellen gibt, die sich an der Oberfläche von Festkörpern ausbreiten und die eine ganz charakteristische elliptische, rollende Bewegung aufweisen,” erläutert Physik-Professor Dr. Hubert Krenner, der die Studie an der Universität Augsburg leitete und jüngst an die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster wechselte. “Die direkte Beobachtung dieses transversalen Spins, wie wir Physiker diese Bewegung nennen, ist uns nun bei Nanoschallwellen endlich gelungen.”

In ihrer Studie verwendeten die Forscher einen hauchdünnen Nanodraht, der auf einen piezoelektrischen Kristall – Lithiumniobat – aufgebracht wurde. Dieser Kristall verformt sich beim Anlegen einer elektrischen Spannung. So kann mit kleinen Metallelektroden, sogenannten Schallwandlern, eine Schallwelle auf dem Kristall erzeugt werden. Umgekehrt erzeugt die Schallwelle ein elliptisch rotierendes (gyrierendes) elektrisches Feld. Dieses zwingt wiederum die Elektronen im Nanodraht auf Kreisbahnen. Prof. Zubin Jacob, der an der Purdue University forscht, ist begeistert: “Wir kannten dieses Phänomen bis jetzt für Licht. Nun ist es uns gelungen zu zeigen, dass dies ein fundamentaler Effekt ist, der auch bei anderen Arten von Wellen wie Schall in einem technologisch so relevanten Material wie Lithiumniobat auftritt.”

Die vorgestellten Forschungsergebnisse sind ein Meilenstein, da der erstmals beobachtete transversale Spin gezielt zur Kontrolle von Nanosystemen oder für die Informationsübertragung verwendet werden kann. Maximilian Sonner, Doktorand am Augsburger Physikinstitut, erläutert: “Wir beobachten die Bewegung von Elektronen in den an der TU München hergestellten Nanodrähten durch das von den Elektronen abgestrahlte Licht.” Seine Kollegin Dr. Lisa Janker ergänzt: “Wir verwenden hier ein extrem schnelles Stroboskop, mit dem wir in der Lage sind, diese Bewegung auch bei hohen Frequenzen bis in den Gigahertz-Bereich quasi in Echtzeit zu beobachten.”

Dr. Farhad Khosravi, der seine Doktorarbeit vor Kurzem in der Arbeitsgruppe von Zubin Jacob abgeschlossen hat, sagt: “Ich konnte meine Berechnungen für Licht direkt auf die Rayleigh-Schallwelle übertragen. Es war zwar seit Langem bekannt, dass Licht und Schallwellen ähnliche Eigenschaften besitzen. Nichtsdestotrotz ist die Übereinstimmung phänomenal.”

Die Forscher sind überzeugt, dass deshalb ein ganz fundamentales physikalisches Prinzip zugrunde liegt. “Unsere Arbeit ist nur ein erster, aber entscheidender Schritt,” unterstreicht Hubert Krenner. Das Team forscht mit Hochdruck daran, den transversalen Spin von Schallwellen mit dem anderer Wellen zu koppeln. “Nun gilt es”, sagt Zubin Jacob, “diesen transversalen akustischen Spin gezielt auszunutzen, um mit ihm beispielsweise optische Quantensysteme oder den Spin von Licht zu manipulieren.”

Das Projekt erhielt in Deutschland finanzielle Unterstützung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über die Projekte KR3790/6-1 und KO4005/6-1 und in den USA über das “DARPA Nascent Light-Matter Interactions”-Programm.

Originalveröffentlichung:

M. M. Sonner, F. Koshrawi, L. Janker, D. Rudolph, G. Koblmüller, Z. Jacob, H. J. Krenner (2021): Ultrafast electron cycloids driven by the transverse spin of a surface acoustic wave. Science Advances 7; DOI: 10.1126/sciadv.abf7414


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Herausragende Masterarbeit am Fachbereich Physik ausgezeichnet

“Infineon-Master-Award 2021” geht an Thomas Seidel

Für seine herausragende Masterarbeit zur nichtlinearen Laserdynamik hat Thomas Seidel den mit 1.500 Euro dotierten „Infineon-Master-Award“ erhalten, den der Fachbereich Physik der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster jährlich mit der Infineon Technologies AG verleiht. „Seine Resultate gehen weit über den Rahmen einer Masterarbeit hinaus“, betont Dr. Svetlana Gurevich vom Institut für Theoretische Physik, in deren Arbeitsgruppe Thomas Seidel seine Masterarbeit anfertigte. „Die Arbeit ist wissenschaftlich originell und von sehr hoher Qualität, die Ergebnisse sind sowohl für theoretisch als auch experimentell arbeitende Gruppen auf dem Gebiet der nichtlinearen Laserphysik von großer Bedeutung.“

Seine wissenschaftliche Laufbahn führt der 25-jährige Physiker mit einer Promotion am Institut für Theoretische Physik der WWU sowie am Departament de Física & IAC-3 der Universität der Balearischen Inseln fort.

Optische Datenkommunikation und medizinische Bildgebung verbessern

Die nichtlineare Laserdynamik kombiniert Methoden der nichtlinearen Dynamik und der Laserphysik, um beispielsweise dynamische Instabilitäten, die in Lasern entstehen können, zu untersuchen. Besonders relevant ist dieser Forschungsbereich, um sogenannte Halbleiter-Laser kontrollieren, manipulieren und optimieren zu können. Sie werden unter anderem zur Datenkommunikation mit Lichtimpulsen oder zur medizinischen Bildgebung benötigt.

Auswirkungen von Rückkopplungen auf Lichtpulse

In seiner Masterarbeit untersuchte Thomas Seidel theoretisch, wie sich eine zeitverzögerte Rückkopplung auf das Verhalten von kurzen Lichtpulsen auswirkt. Mit seinen Berechnungen zeigte er, dass die Rückkopplung in Form von kleinen Satellitenpulsen vor und nach jedem Haupt-Lichtpuls sichtbar wird. Die Position der Satellitenpulse kann durch die Verzögerungszeit gesteuert werden, während die Größe durch die Rückkopplungsrate bestimmt wird.

Werden die Satellitenimpulse sehr nah am Haupt-Lichtpuls platziert, können sie sogar zu seiner Destabilisierung führen: Ab einer gewissen Schwelle ersetzen die Satellitenpulse also sukzessive den Haupt-Lichtpuls. Diese sogenannte Satelliteninstabilität konnte erst vor kurzem experimentell nachgewiesen werden. Mit seiner Masterarbeit hat der Physiker einen hoch-relevanten Instabilitätsmechanismus entdeckt.


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Millionenförderung für Physiker der Universität Münster

Wissenschaftler der Kern- und Teilchenphysik erhalten 3,3 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Wissenschaftler der Institute für Kernphysik und für Theoretische Physik an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster erhalten vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Förderung in Höhe von 3,3 Millionen Euro. Damit unterstützt das Ministerium in den kommenden drei Jahren verschiedene Arbeiten zur Erforschung der Grundbausteine der Materie und des Universums, die die Forscherteams in Großprojekten an Teilchenbeschleunigern durchführen.

Wissenschaftler der beteiligten Gruppen bereiten Experimente für die neue Großforschungseinrichtung „FAIR“ (Facility for Antiproton and Ion Research) vor, wo zukünftig auch Experimente mit Antimateriestrahlen durchgeführt werden. Am Europäischen Forschungszentrum CERN in Genf experimentieren Wissenschaftler am dortigen Teilchenbeschleuniger „Large Hadron Collider“ (LHC). Hierfür werden an der WWU theoretische Vorhersagen für neue Teilchen und Präzisionsrechnungen durchgeführt.

Die münsterschen Physiker hatten für ihre Forschung der vergangenen zweieinhalb Jahre bereits 2,2 Millionen Euro vom BMBF erhalten. Die Zuwendung für die einzelnen Projekte wurde nun in der aktuellen Förderphase erhöht. Außerdem beinhaltet die aktuelle Förderung im Rahmen des „Aktionsplan ErUM-Pro“ ein zusätzliches Projekt. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen über den Austausch mit jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Einblicke in Forschungsthemen der Physik zu geben. So möchten die Münsteraner das Interesse für die Wissenschaft fördern und Nachwuchs für die Grundlagenforschung an Großgeräten gewinnen.

Mit „ErUM-Pro“ fördert das BMBF die Vernetzung von Hochschulen mit innovativen Großgeräten, an denen Deutschland beteiligt ist. Es unterstützt beispielsweise Projekte mit Teleskopen, Röntgenlasern und Teilchenbeschleunigen. Das BMBF bindet die Hochschulen zudem in die Weiterentwicklung der Forschungsinfrastrukturen ein, um neue Ideen, Technologien und Anwendungen zu fördern.


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