Kosmische Expansion: Das ungleichmäßige Universum

Forscher untersuchen kosmische Expansion mit Methoden aus der Physik von Vielteilchensystemen / Veröffentlichung in “Physical Review Letters”

In kosmologischen Rechnungen wird fast immer angenommen, dass die Materie im Universum gleichmäßig verteilt ist. Das liegt daran, dass die Berechnungen zu kompliziert würden, würde man die Position jedes einzelnen Sterns einbauen. In Wirklichkeit ist das Universum nicht gleichmäßig. An manchen Stellen befinden sich Sterne und Planeten, an anderen herrscht Leere. Die Physiker Michael te Vrugt und Prof. Dr. Raphael Wittkowski vom Institut für Theoretische Physik und vom Center for Soft Nanoscience (SoN) der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben jetzt mit der Physikerin Dr. Sabine Hossenfelder vom Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) ein neues Modell für dieses Problem entwickelt. Ausgangspunkt ist der Mori-Zwanzig-Formalismus, eine Methode zur Beschreibung von Systemen aus sehr vielen Teilchen mit einer kleinen Anzahl von Messgrößen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.

Zum Hintergrund: Die von Albert Einstein entwickelte Allgemeine Relativitätstheorie (ART) ist eine der erfolgreichsten Theorien der modernen Physik. Zwei der letzten fünf Physiknobelpreise betrafen dieses Gebiet: 2017 für die Messung von Gravitationswellen, 2020 für die Entdeckung eines schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße. Eine der wichtigsten Anwendungen der ART ist die Beschreibung der kosmischen Expansion, also der Ausdehnung des Universums seit dem Urknall. Die Geschwindigkeit dieser Ausdehnung wird von der Menge an Energie im Universum bestimmt. Neben der sichtbaren Materie spielen hier – zumindest gemäß dem aktuell in der Kosmologie verwendeten „Lambda-CDM-Modell“ – vor allem die dunkle Materie und dunkle Energie eine Rolle.

„Streng genommen, ist es mathematisch falsch, den Mittelwert der Energiedichte des Universums in die Gleichungen der ART einzusetzen“, betont Sabine Hossenfelder. Die Frage ist nun, wie „schlimm“ dieser Fehler ist. Manche Experten halten ihn für irrelevant, andere sehen darin die Lösung für das Rätsel der dunklen Energie, deren physikalische Natur bislang unbekannt ist. Eine ungleichmäßige Verteilung der Masse im Universum kann sich auf die kosmische Expansionsgeschwindigkeit auswirken.

„Der Mori-Zwanzig-Formalismus wird bereits in sehr vielen Forschungsgebieten von der Biophysik bis zur Teilchenphysik erfolgreich eingesetzt, daher bot er auch für dieses astrophysikalische Problem einen vielversprechenden Ansatz“, erklärt Raphael Wittkowski. Das Team verallgemeinerte diesen Formalismus, sodass er auf die ART angewendet werden konnte, und leitete so ein Modell für die kosmische Expansion unter Berücksichtigung kosmischer Ungleichmäßigkeiten her.

Das Modell macht eine konkrete Vorhersage für die Auswirkung dieser sogenannten Inhomogenitäten auf die Geschwindigkeit der Ausdehnung des Universums. Diese weicht leicht von der Vorhersage des Lambda-CDM-Modells ab und bietet daher eine Möglichkeit, das neue Modell experimentell zu testen. „Aktuell sind die astronomischen Daten nicht genau genug, um diese Abweichung zu messen, aber die großen Fortschritte etwa bei der Messung von Gravitationswellen bieten Anlass zur Hoffnung, dass sich das ändert“, sagt Michael te Vrugt. „Außerdem lässt sich die neue Variante des Mori-Zwanzig-Formalismus auch auf andere astrophysikalische Probleme anwenden, die Arbeit ist also nicht nur für die Kosmologie relevant.“

Finanzierung

Michael te Vrugt wird durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert. Sabine Hossenfelder erhält finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, HO 2601/8-1). Die Arbeitsgruppe Wittkowski wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, WI 4170/3-1) finanziert.

Originalpublikation

M. te Vrugt, S. Hossenfelder, R. Wittkowski (2021). Mori-Zwanzig formalism for general relativity: a new approach to the averaging problem. Physical Review Letters 127, 231101. DOI: 10.1103/PhysRevLett.127.231101


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Quelle: Pressemitteilung / Pressestelle der Universität Münster (upm)




Überraschendes Signal im Dunkle-Materie-Detektor XENON1T

Physiker veröffentlichen erste Ergebnisse auf “arXiv”

Daten von XENON1T, dem weltweit empfindlichsten Dunkle-Materie-Detektor, enthalten einen überraschenden Signalüberschuss. Das haben die Mitglieder der XENON-Kollaboration unter Beteiligung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) heute bekannt gegeben. Sie behaupten aber nicht, Dunkle Materie gefunden zu haben, sondern betonen, dass die Quelle dieses unerwarteten Signals noch nicht vollständig verstanden sei. Es könnte von einer winzigen Menge Tritium (überschwerer Wasserstoff) stammen, aber auch ein Hinweis auf etwas Spannenderes sein: die Existenz neuer Teilchen, den theoretisch vorhergesagten solaren Axionen, oder eine bisher unbekannte Eigenschaft von Neutrinos.

XENON1T war von 2016 bis Ende 2018 im Gran-Sasso-Untergrundlabor des Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) in Italien in Betrieb. Es diente primär der Suche nach Teilchen der Dunklen Materie, die 85 Prozent der Materie im Universum ausmacht, für die es aber bisher nur indirekte Hinweise gibt. XENON1T hat zwar keine Dunkle Materie entdeckt, aber weltweit die beste Sensitivität für die Suche nach WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles) erreicht, die zu den theoretisch bevorzugten Kandidaten für Dunkle Materie gehören. Die sehr hohe Sensitivität von XENON1T erlaubt es darüber hinaus, nach verschiedenen neuen Teilchen und bisher unbeobachteten Prozessen zu suchen. So konnte die XENON-Kollaboration im vergangenen Jahr die Beobachtung der seltensten jemals direkt gemessenen Kernumwandlung in der Fachzeitschrift „Nature“ publizieren.

Der zur Suche nach seltenen Ereignissen optimierte XENON1T-Detektor enthielt 3,2 Tonnen hochreines, bei minus 95 Grad Celsius verflüssigtes Xenon, von denen die innersten zwei Tonnen als Nachweismedium dienten. Fliegt ein Teilchen durch die Flüssigkeit, kann es mit den Xenon-Atomen zusammenstoßen, dabei schwache Lichtsignale auslösen und Elektronen aus dem getroffenen Xenon-Atom schlagen. Da die meisten Wechselwirkungen auf bekannte Teilchen zurückgehen, diente eine Vielzahl von aufwendigen Methoden dazu, solche störenden Hintergrundereignisse auf ein bislang unerreicht niedriges Niveau zu senken. Die verbleibende Anzahl von Hintergrundereignissen haben die Wissenschaftler sehr sorgfältig bestimmt. Beim Abgleich der XENON1T-Daten mit dem Hintergrund fanden die Forscherinnen einen überraschenden Überschuss von 53 Ereignissen über die erwarteten 232 Ereignisse.

Was ist der Ursprung dieses Signals?

Eine Möglichkeit könnte ein bisher unerkannter Hintergrund sein, und zwar die Anwesenheit extrem kleiner Mengen von Tritium im flüssigen Xenon. Tritium, ein radioaktives Wasserstoffisotop mit zwei extra Neutronen, zerfällt spontan unter Aussendung eines Antineutrinos sowie eines Elektrons mit einer Energieverteilung ähnlich der beobachteten. Wenige Tritiumatome auf 10²⁵ Xenon-Atome (das entspricht etwa 2 Kilogramm Xenon) würden genügen, um das Signal zu erklären. Allerdings gibt es derzeit keine unabhängigen Messungen, die die Anwesenheit derart winziger Mengen Tritium im Detektor bestätigen oder ausschließen könnten. Ob diese Erklärung für das beobachtete Signal zutrifft, muss deshalb offenbleiben.

Eine weitaus spannendere Erklärung wäre die Existenz eines neuen Teilchens. Das gemessene Energiespektrum gleicht demjenigen, das für in der Sonne erzeugte Axionen erwartet wird. Axionen sind hypothetische Teilchen, die vorgeschlagen wurden, um eine in der Natur beobachtete Symmetrie der Kernkräfte zu verstehen. Die Sonne könnte eine starke Quelle von Axionen sein. Diese solaren Axionen sind zwar keine Dunkle-Materie-Kandidaten, aber ihr Nachweis wäre die erste Beobachtung einer sehr gut motivierten, aber noch nicht gefundenen Klasse von Teilchen. Dies hätte große Bedeutung für unser Verständnis von fundamentaler Physik, aber auch von astrophysikalischen Phänomenen. Im frühen Universum erzeugte Axionen könnten zudem eine Quelle für Dunkle Materie sein.

Alternativ könnten auch überraschende Eigenschaften von Neutrinos hinter dem unerwarteten Signal stecken. In jeder Sekunde durchqueren Billionen von Neutrinos ungehindert den Detektor. Als eine Erklärung käme in Frage, dass das magnetische Moment der Neutrinos größer ist als vom Standardmodell der Elementarteilchenphysik vorhergesagt, was ein klarer Hinweis auf „neue Physik“ wäre.

Von allen drei Erklärungen zeigen Signale solarer Axionen die beste Übereinstimmung mit den gemessenen Daten. Allerdings ist die statistische Signifikanz von 3,5 Sigma (das heißt mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Zehntausendsteln handelt es sich bei dem Signal um eine zufällige Fluktuation, die somit nicht völlig ausgeschlossen ist) zwar recht hoch, aber nicht hoch genug für eine Entdeckung. Die beiden anderen Erklärungen sind mit 3,2 Sigma ähnlich gut mit den Daten vereinbar.

Nach dem Umbau von XENON1T zu XENONnT mit der dreifachen aktiven Detektormasse und geringerem Hintergrund werden bald noch bessere Daten zur Verfügung stehen. Die Mitglieder der XENON-Kollaboration sind zuversichtlich herauszufinden, ob dieses überraschende Signal nur eine statistische Fluktuation, eine weitere Hintergrundkomponente oder etwas bei weitem Spannenderes ist: ein neues Teilchen oder eine Wechselwirkung jenseits der bekannten Physik.

Förderung und beteiligte Institutionen:

Die Forschung der deutschen Gruppen bei XENON wird im Wesentlichen von der Max-Planck-Gesellschaft und der Verbundforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

In der XENON-Kollaboration arbeiten 163 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 28 Institutionen in elf Ländern zusammen. Aus Deutschland sind fünf Institutionen maßgeblich beteiligt. Das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg war für die Lichtsensoren, den Nachweis geringster Spuren Radioaktivität im Detektormaterial und im flüssigen Xenon verantwortlich, die Universität Münster entwickelte das Tieftemperatur-Destillationssystem zur Entfernung von radioaktiven Verunreinigungen aus dem flüssigen Xenon sowie ein allgemeines Xenon-Reinigungssystem, die Universität Mainz war für das Myon-Vetosystem verantwortlich und hat zum Xenon-Rückführungs- und Speichersystem wesentlich beigetragen, und die Universität Freiburg war für den Bau des Detektors und die Datenerfassungselektronik verantwortlich. Alle Institute, zu dem seit Kurzem auch das Karlsruher Institut für Technologie zählen, sind an der Datenanalyse beteiligt.

Originalpublikation:

Observation of Excess Electronic Recoil Events in XENON1T, XENON Collaboration, arXiv


Quelle: Pressemitteilung / Pressestelle der Universität Münster (upm)




Plasmaversum: Doku: A Plasma Universe? 1-5 (2011, engl.)

Das Plasmauniversum ist derzeit als “Urknall-Basher” erfolgreich. Zu gegebener Zeit werden seine eigenen Schwächen mehr Aufmerksamkeit erhalten. Die Lehre ist klar: Kreationisten sollten besonders vorsichtig sein, wenn es darum geht, neuen wissenschaftlichen Ideen Rechnung zu tragen, auch wenn sie sich gegen Evolutionsmodelle wie den Urknall aussprechen. Der Austausch kann noch schlimmer sein als das ursprüngliche Problem! Steady State, Urknall, Plasma – naturalistische Ursprungstheorien werden weiter steigen und fallen.

Darüber hinaus zeigt die aktuelle Krise der theistischen Entwicklung bei der Verteidigung des Urknalls das peinliche Ergebnis eines Kompromisses. Diejenigen, die den Urknall fälschlicherweise in Genesis eingefügt haben, könnten eines Tages die einzigen sein, die die Idee einer anfänglichen Explosion verteidigen! Die Erschaffung des Universums war per Definition übernatürlich und wird immer jenseits des Verständnisses skeptischer Kosmologen bleiben. Dies bedeutet nicht, dass die Erstellungsansicht die Tür zur Abfrage schließt. Stattdessen akzeptiert es die erfrischende und wahrheitsgemäße Tatsache, dass dem Bereich der Naturwissenschaften Grenzen gesetzt sind.

Aus heutiger Sicht gibt es keine bessere astronomische Theorie für den Ursprung des Universums als die inspirierte Erklärung der Schrift. “Durch das Wort des HERRN wurden die Himmel gemacht; und ihr ganzes Heer durch den Atem seines Mundes … denn er redete, und es wurde getan; er befahl, und es stand fest” (Psalm 33: 6) 9). “… denn er hat geboten, und sie wurden erschaffen” (Psalm 148: 5).

 

 

 

 




Kosmologie: Vortrag: Cosmology, Lecture 1-8 (Leonard Susskind, 2010, engl.)

Achtteiliger Videovortrag über die Kosmologie von Leonard Susskind.

  • Modern Physics: Cosmology, Lecture 1-8 (Leonard Susskind)
  • Prof. Leonard Susskind
  • Stanford University, USA
  • Englische Sprache, 2009